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[ Autorin sucht Verlag - Autorin hat Verlag! ]

Allein in Usbekistan

Jana G. hat aufgeschrieben, was ihr tatsächlich passiert ist.

Aus der Post vom Juli 2003:
Ein liebes Hallo,
mein Buch kommt im Januar 2004 auf den Markt!
Vorbestellungsmöglichkeiten und weitere Informationen, über das Buch, über meine Agentur, meinen Verlag und natürlich auch über mich, findet Ihr auf der kostenlosen Homepage:
www.allein-in-usbekistan.de.am [Link siehe oben]
In der Hoffnung auf Euer Interesse für diese bewegende authentische Geschichte verbleibe ich

mit lieben Grüßen
Eure Jana

Von LiteraTour-MV.de die besten Wünsche!

   Auszüge aus meinem Manuskript


So sitze ich also vor diesen Fotos und denke an die vergangene Zeit. Mit den Monaten ist auch der Kontakt zu Rene so gut wie abgebrochen. Ich habe Sehnsucht, bin frustriert und ich sehe ein, daß ich mich nicht noch länger in meiner Wohnung verkriechen darf, um alte Fotos anzusehen. Ich muß raus, unter Leute gehen. Wie ein Blitz trift mich das Bedürfnis jetzt und in diesem Moment raus zu gehen. Ich sehe nachdenklich auf meine Uhr. Es ist fast 19.00 Uhr. Draußen wird es schon dunkel, aber das stört mich nicht . Mein Entschluß steht fest. Ich werde in die Caribic-Bar gehen. Dort kenne ich viele Leute, und es wird mir gut tun. Auch meine russischen Freunde und Bekannten werden dort sein und ich kann meine Russischkenntnisse wieder etwas aufbessern, werde auf andere Gedanken kommen, werde Spaß haben...


Mir ist etwas schummerig im Kopf und ich bin sehr müde. Wieviel Valentino habe ich wohl getrunken? Ich weiß es nicht mehr. Ich weiß nur, daß ich nach Hause möchte. Ich möchte schlafen. Ich möchte jetzt aufstehen und nach Hause. Aber ich kann nicht aufstehen. Mir ist schwindelig. Mein Gott so viel habe ich doch gar nicht getrunken. Erik bietet mir an mich nach Hause zu bringen. "Njet!" (Nein !) sage ich bestimmt.      Ein unheimliches Gefühl steigt in mir hoch. Ich will alleine fahren, aber ich kann nicht mal vom Barhocker aufstehen, ohne wieder umzufallen. Ich brauche seine Hilfe, um mich nicht vor all den anderen zu blamieren. Erik legt seinen Arm um mich rum, um mir Halt zu geben und geht so mit mir raus. Warum grinst er so frech, frage ich mich? Sehe ich so lustig aus? Warum er so grinste, sollte mir noch bewußt werden...


Ich sitze auf irgendeinem Holzstuhl, in irgendeinem kleinen Zimmer. Sein Zimmer! In einem Russenblock. Erik schließt die Tür ab, und kommt auf mich zu. "Du geh in Bett" sagt er in einem barschen Ton und deutet auf ein Stahlbett, das irgendwo in diesem Zimmer steht. Ich schüttele den Kopf. Nein, denke ich. Wenn ich schon nicht zu Hause sein kann, dann versuche ich im Sitzen zu schlafen. Erik hockt sich vor mich, hebt mit seiner Hand meinen Kopf hoch und sieht die Angst in meinen Augen. Und ich sehe dieses seltsame Funkeln in seinen Augen. Seine andere Hand fummelt an den Knöpfen meiner Bluse rum. Ich schrecke hoch. "NEIN" schreie ich, "ICH WILL DAS NICHT." Ich torkle in eine Ecke des Zimmers. Erst jetzt bemerke ich, daß ich genau neben diesem Stahlbett stehe. Mit den Augen suche ich die Tür. Er hat den Schlüssel abgezogen. Was mache ich jetzt nur? "Pst, pst" kam zu mir rüber. Das Licht geht aus. Verdammt, er hat das Licht ausgeknipst! Es ist so dunkel. Ich weiß nicht wo ich bin, ich weiß nicht wer ER ist und ich weiß nicht was nun vielleicht passieren wird. ICH HABE ANGST!!!!!!

Die Tränen laufen mir übers Gesicht, aber er sieht es nicht im Dunkeln. Ganz leise weine ich, damit er es nicht hört. Es sind die ersten Tränen von einem Meer von Tränen, das ich noch weinen werde.


Erik ist damit beschäftigt, die Taschen zu verstauen, während ich noch einmal durch das Fenster auf den Platz sehe, wo ich so lange auf meiner Reisetasche saß.
Ich sehe den Polizisten. Er steht da und beobachtet, wie wir abfahren.
Traurig sehe ich ihn an. Ich sehe ihm für Sekunden in die Augen,und er hebt etwas die rechte Hand, wie zum Gruß. Als ob er mir mit dieser Geste alles Gute wünscht.
Ich traue mich nicht zurückzuwinken. Ich traue mich auch nicht Erik zu fragen, wie lange wir noch fahren werden.


Zwischen uns besteht eine Spannung, die sich böse zu entladen droht. Sicherlich werden wir die Nacht durchfahren, denn sonst hätte er kein Schlafabteil genommen.
"Polizei machte Taschenkontrolle. Die haben 100 DM und Zigaretten weggenommen!", wird er noch wütender. Das habe ich nicht gewußt, aber jetzt ist es auch egal.
Ich will nur, daß er sich jetzt beruhigt.  "Erik,bitte schrei nicht so,denke an die anderen Leute hier im Zug!", versuche ich zu schlichten. "Ich schreie wann und wo ich will!." Sein Zorn wächst,ich sehe wie er seine Hand hebt, und Sekunden später fühle ich einen brennenden Schmerz auf meiner Wange. Er hat mich geschlagen! Verdammt noch mal, er hat es gewagt mir eine Ohrfeige zu geben!! In mir steigt die Wut hoch. Was erlaubt er sich? Ich vergesse, wo ich bin! Ich vergesse, daß ich hier auf ihn angewiesen bin. Ich vergesse für einen Moment, daß ich nicht einmal weglaufen kann, und ich denke nicht daran, daß aber er all das weiß! Mit einem Satz springe ich hoch.
"Du Idiot,Du Schwein!",brülle ich ihn aus meinem Schmerz heraus an. Ich gehe zur Tür des Abteils und will diese aufmachen, um hinaus auf den Flur zu gehen. "Aua!", schreie ich auf, "mein Kopf!" An den Haaren zieht er mich zurück und schmeißt mich auf den Sitz. "Was, ich bin ein Idiot und ein Schwein?"giftet dieser Mann, der zum Tier geworden ist, mich an. "Na warte!", höre ich noch seine Worte, dann weiß ich nicht mehr, was mit mir geschieht. Wie wild schlägt er abwechselnd mit beiden Händen auf mich ein. Überall treffen mich seine harten Schläge.
Ich sitze zusammengekrümmt auf diesem verdammten Sitz, in diesem verdammten Zug mit diesem verdammten Kerl, der sich immer mehr in seine Wut reinzusteigern scheint. Schützend lege ich meine Arme über meinen Kopf. "Hör auf Erik!!" rufe ich.
"Hör auf, Du bist ja verrückt!" Er hört nicht auf. Immer wieder trommelt er auf mich ein. Ich muß mich wehren, sonst schlägt er mich kaputt, kann ich gerade noch denken, und haue ihm reflexartig mit meinem Fuß ins Schienbein. "Ich bring Dich um!" schreit er wie wahnsinnig. Wieder springe ich hoch. Ich will nur noch raus aus dem Abteil, raus aus diesem Land. "Pomogitje!!"(Helft mir!), rufe ich auf russisch und auf deutsch. Doch niemand hilft mir.


Ja,ich werde mich nachher auch ein bißchen schminken. In Deutschland habe ich mich jeden Tag geschminkt und Erik mochte das immer. Ich werde mich heute für Erik schminken.
Die Mutter steht in der Küche. Fragend sieht sie mich an. Ich glaube, sie hat genauso viel Angst vor unseren Verständigungsproblemen wie ich. Ich hebe die Hand über meinen Kopf und sage: "Dusch." Sie lacht, weil sie durch meine Geste verstanden hat, was ich möchte. Ohne ein Wort stellt sie mir den großen Wassertopf auf den Herd und geht aus der Küche. Ich muß mich jetzt beeilen, denn ich will fertig sein, wenn Erik mit seinem Freund kommt, um mich abzuholen. Also wasche ich mich schnell ab und gieße das Wasser über meinen Kopf und über meinen Körper.
Eine Überschwemmung kann es nicht geben, denn der Boden ist schräge und das Wasser kann in ein Abflußloch ablaufen. Meine schwarze Jeanshose ziehe ich heute an und eine dünne Bluse. Ich fühle mich wohl. Nach einigen Minuten bin ich dann auch schon etwas geschminkt. Wo soll ich jetzt warten? Hier im Zimmer?
Nein, ich möchte noch eine Zigarette rauchen und gehe raus zur Bank.
Nun sitze ich hier wie bestellt und nicht abgeholt, doch plötzlich höre ich das Tor klappen und kurz darauf Männerstimmen. Endlich! Ich freue mich wie ein Kind über einen Bonbon, nur weil wir jetzt in den Park gehen. "Mach die Zigarette aus!"ist das Erste, was ich von Erik zu hören bekomme. "Warum, ich denke ich darf rauchen?" bin ich über sein Verhalten erschrocken. "Nicht jetzt, denn was soll mein Freund denken?" redet er weiter. "Es ist mir egal, was Dein Freund denkt. Ich bin keine Marionette Erik!" konter ich. "Aber eine Nutte! Guck mal Dein Gesicht an, voll mit Tusche!" brüllt Erik. "Schrei nicht so, was soll denn Dein Freund denken?" werde ich zynisch, "Und außerdem habe ich mich für Dich geschminkt, weil ich dachte, daß Du es magst!" "Aber nicht hier und schrei mich nicht an vor meinen Leuten!" wütet er. "Du schreist ja auch und ich lasse mir Deine Spinnereien nicht mehr gefallen!" schimfe ich verzweifelt. Plötzlich sehe ich, wie Erik seine Hand hebt und diese auf mein Gesicht zugeflogen kommt. Es ist wie in Zeitlupe, doch ich kann nicht mehr ausweichen. Vor den Augen seines Freundes knallt er mir eine. Ich glaube es nicht.
Wieder hat er mich geschlagen. "Du verdammtes Schwein!" schreie ich ihn an, drehe mich um und laufe in unser Zimmer, in mein Zimmer. Der Abend ist nun gelaufen.
Erik geht wütend mit Uktan weg, wie ich durch das Fenster beobachte.
Ich schmeiße mich heulend auf's Bett. Wie ein Kind hatte ich mich auf den Parkspaziergang gefreut, und wie ein Kind schluchze ich nun.
Ich weine mich in den Schlaf.

Träume ich,oder streichelt mich wirklich jemand? Ich schrecke hoch. Erik kniet vor dem Bett. "Tut mir leid Jana." haucht er. Sein Atem riecht nach Alkohol.
Ich entziehe mich seiner Hand und drehe mich auf die andere Seite, so daß ich die Wand ansehe und nicht ihn. "Janka, komm her!" flüstert Erik. Ich sage nichts, denn ich habe mit meinen Tränen zu kämpfen. Erik zieht mich zu sich rüber und nimmt mich in seine Arme. Auf einmal bricht alles aus mir heraus. Ich fange bitterlich an zu weinen.
Ich fühle mich so erniedrigt, so wehrlos und er weiß das und ich glaube, daß er diese Machtsituation sogar genießt. "Ich möchte jetzt mit Dir schlafen Janka." spricht er ganz leise weiter. Wie kann in den Griff zu bekommen und er will mit mir schlafen. Ich glaube es einfach nicht. Erst schlägt er mich und nun will er Zärtlichkeiten? Ich kann das nicht. Ich will nicht. Nicht jetzt! Erik zieht sich aus und kommt zu mir ins Bett.

Wie kann ich es wagen ihn wegzuschubsen und ihn anzuschreien? Seine albernen Schwestern und seine Mutter kommen raus gelaufen. "Aber Du bist meine Frau!" brüllt er und im selben Moment spüre ich den Schmerz auf meinem Gesicht, den ich schon kenne. Die Ohrfeige hat gesessen. Ich unterdrücke die Tränen. Die Blöße gebe ich mir nicht, vor den Augen seiner Familie zu weinen. "Ich bin auch nicht deine Frau, und deine Freundin war ich mal, du Schwein!" Noch eine Ohrfeige. Mein Gesicht glüht. Ich werde hysterisch, gehe auf ihn los. "Komm schlag mich noch mal, na los doch. Wenn Du keine Worte mehr hast, dann denkst Du, daß Du mit Schlägen weiter kommst? Aber nicht mit mir!" Wie wild trommele ich mit den Händen an seine Brust. Erik schiebt mich grob ein Stück weg, hält mich mit einer Hand am Hals, ballt die andere Hand zur Faust und schlägt in Sekundenschnelle zu, und noch ein zweites Mal. Ich torkel, höre seine Mutter schreien und falle hin. Ich halte mein Gesicht in den Händen und wimmere vor Schmerzen. Erik steht triumphierend vor mir und ich höre noch seine Worte, bevor er sich umdreht und geht: "Schreie mich nie mehr an und du wirst ohne Widerspruch machen, was ich sage, sonst wird das hier die Hölle für Dich werden!"
Die Schwestern haben aufgehört zu gackern. Die Mutter schaut mich ganz erschrocken an. Ich raffe mich auf. Ich schmecke Blut an meiner Lippe und ich fühle, wie mein Auge zuschwillt. Mein Kopf tut so weh. Schwankend gehe ich in die Küche, wasche mir das Gesicht mit kaltem Wasser ab. Ich werde nicht weinen. Nicht vor den Weibern, sage ich zu mir und versuche, mit erhobenen Kopf raus aus der Küche und in das Zimmer zu gehen


Ich sitze wieder in meinem Zimmer und warte auf Almirs Nachricht. Drei Tage später kommt er dann endlich. Ich laufe ihm entgegen. Als Erstes begutachtet er mein Auge und meine Lippe. Ich sehe schon etwas besser aus. Erik hat mich die letzten Tage in Ruhe gelassen. Almir holt Papiere aus seinem mitgebrachten Aktenkoffer. Es sind zwei Flugtickets. Wir werden von Taschkent nach Leningrad und von Leningrad nach Moskau fliegen, und das schon übermorgen. Ich fliege nach Moskau und komme Deutschland ein Stückchen näher. Ich bin glücklich und danke Almir mit einer Umarmung. "Erik hast Du meinen Paß noch?" frage ich ihn. "Ja!" antwortet er kurz. Ob er will oder nicht, wir werden fliegen. Er will nicht, das fühle ich, aber das ist mir egal. Er muß! Er hat auf den Koran geschworen. Almir muß wieder losfahren. Ich gehe ins Zimmer und packe meine Sachen zusammen. Nur das Nötigste für zwei Tage lasse ich draußen. Erik scheint sich unsichtbar machen zu wollen, denn er ist schon vor dem Frühstück weg. Das stört mich nicht mehr. Wichtig ist nur, daß er zur Abreise pünktlich wieder hier ist. Er ist pünktlich.


Auch ich freue mich, sogar über die Zigarettenwerbung und die ganze Farbenpracht.
Der Zug hält, wir steigen aus. Mir zittern die Knie. Menschen um mich herum, die alle deutsch sprechen. Ein Wahnsinnsgefühl! Ich könnte alle Menschen umarmen. Es sind kaum Menschen im Zug. Fast alle Abteile sind leer. Doch ich will nicht alleine sein. "Darf ich mich hier setzen?" frage ich den Mann, der mir gerade geholfen hat. "Kein Problem." erwidert er erstaunt. Er ist sichtlich überrascht, da ja noch so viele Abteile frei sind. Wir kommen ins Gespräch und ich erzähle ihm, wo ich war und daß ich nun nach Hause fahre. Jetzt versteht er, warum ich nicht alleine sitzen möchte. Ich habe das große Verlangen, mich mit jemanden in meiner Muttersprache zu unterhalten.

"Nächste Station Schwerin-Hauptbahnhof!" kommt die Ansage aus den Lautsprechern. "Ich muß jetzt aussteigen." sage ich. "Ich steige auch aus und helfe Dir beim Tragen." bietet der Armist mir freundlich an. Der Zug hält. Ich sehe auf meine Uhr. 04:36 Uhr ist es auf die Minute. Ich kann es nicht erklären, warum ich mich an die genaue Uhrzeit so gut errinnere, als ob es erst gestern wäre. Wir steigen aus und der junge Mann hält den einen Henkel meiner Reisetasche und ich den anderen. Schweigend gehen wir den Bahnsteig entlang, der mir so fremd und doch so vertraut vorkommt, und ich überlege, ob ich mit dem Taxi in meine Wohnung fahre oder ob ich zu meiner Mutter nach Hause fahre. Plötzlich sehe ich eine Frau am Ende des Bahnsteiges stehen. Sie hat blonde Haare. "Mutti!! Mutti!!" rufe ich ganz laut, lasse den Henkel meiner Tasche los und laufe mein



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